Ahimsa – Die Lehre der Gewaltlosigkeit und wie du sie in dein Leben integrieren kannst.
Während meiner Yogalehrerin-Ausbildung hörte ich zum ersten Mal von Ahimsa (frei übersetzt: Friedfertigkeit, Gewaltlosigkeit – von a: nicht, himsa: töten, Schmerzen verursachen). Es hat mich sofort sehr berührt. Denn auch wenn ich Friedlichkeit im Außen schon immer gelebt habe, so durfte ich in der Ausbildung lernen, dass Ahimsa auch bedeutet, sich selbst in Frieden zu begegnen. Diesen Aspekt hatte ich immer vernachlässigt und auch heute fällt es mir noch sehr schwer, ihn zu berücksichtigen.
Mit diesem Artikel möchte ich dir die Bedeutung von Ahimsa näherbringen und dir Impulse geben, wie du Friedfertigkeit gegenüber anderen und dir selbst leben kannst.
Die Bedeutung von Ahimsa
Ein Yogalehrer namens Patanjali formulierte vor gut 2.000 Jahren den achtfachen Pfad des Yoga, der persönlichen Wachstum verspricht. Dieser Pfad beinhaltet Elemente, die du aus deiner Yoga-Praxis kennst: die Asanas, Pranayama (also Atem-Techniken) und Meditation. An erster und zweiter Stelle des Pfades stehen aber die Yamas und Niyamas. Yamas sind fünf Empfehlungen für deinen Umgang mit der Umwelt. Niyamas zielen auf den Umgang mit sich selbst ab.
Ahimsa ist das erste Yama und somit das Herzstück der Yamas und Niyamas. Es bedeutet, dass du deine Gedanken, deine Sprache und deine Handlungen so gestaltest, dass sie keine Verletzungen oder Schmerzen bei anderen verursachen. Auch wenn du Zeuge bist, wie Gewalt an anderen verübt wird, solltest du das nicht hinnehmen. Sondern dich vielmehr für die anderen stark machen – möglichst, ohne mit Gegengewalt zu reagieren. Diese Lebenspraxis wirft viele Fragen auf. Was mache ich, wenn mir oder anderen Unrecht getan wird? Ist es nicht verletzend, wenn ich meiner Freundin sage, dass ihr der Pullover nicht steht? Diese Fragen sind wichtig. Der Text würde aber wahrscheinlich ein Buch füllen, wenn ich sie auch stellen würde. Daher möchte ich in diesem Artikel den Fokus auf dich lenken. Auf die Frage, wie du Gewaltlosigkeit in dein Leben integrieren kannst.
Vielleicht kennst du diese Situationen auch: du lässt dich in Büro-Lästereien verstricken – obwohl du eigentlich gar nicht schlecht über die Person denkst. Du fluchst über den Autofahrer vor dir, weil er so langsam fährt. Oder du regst dich stark über deinen Partner/ deine Partnerin auf, obwohl sie nur eine Kleinigkeit vergessen hat? Diese Situationen sind alltäglich, aber sie weisen darauf hin, dass du in einem inneren Widerstand bist – dem Gegenteil von Friedfertigkeit.
Beziehe in die Betrachtung des inneren Widerstands auch die Einstellung zu dir selbst in Betracht: was denkst du über dich? Wie bewertest du dich? Vielleicht denkst du, dass dein Körper zu unförmig ist. Oder du wirfst dir vor, schon wieder schlecht gelaunt zu sein. Heute schon wieder nicht ins Fitness-Studio gegangen zu sein. Die wichtige Präsentation nicht rechtzeitig der Kundin geschickt zu haben. Es lohnt sich jetzt einmal tief durchzuatmen.
Denn wenn wir selbst im Mangel sind, schlecht über uns denken, unsere eigenen Grenzen nicht respektieren – wie können wir dann erwarten, dass es andere tun? Wie können wir anderen Liebe und Mitgefühl entgegenbringen, wenn wir es uns selbst verwehren? Der Autor Alexander Kobs drückt es so aus:
„Gewalt im Inneren geht der Gewalt im Außen voraus. Sich selbst und andere mehr zu akzeptieren und gleichzeitig weniger zu verdammen oder zu verurteilen, führt zu einer inneren Haltung, in der stetig mehr Liebe und Verständnis für alles wachsen können“
Alexander Kobs: Die zehn Lebensempfehlungen des Yoga
Ahimsa: die Erlaubnis, gut für dich zu sorgen
Der Grund warum mich Ahimsa in meiner Yogalehrerin-Ausbildung so berührte war, dass ich den Gedanken gut zu mir zu sein, bisher nie gelebt hatte. Ständig ermahnte ich mich in Gedanken zu „höher, schneller, weiter“. Nie war ich mir selbst gut genug. Ich beutete meinen Körper aus, verweigerte ihm Nahrung. Ich zwang mich zum Sport, auch wenn ich erschöpft war und eigentlich nur schlafen wollte. Erkältung zu Hause auskurieren? Sicher nicht! Aspirin Complex war in meiner Schreibtisch-Schublade Stammgast.
Doch mit Ahimsa war sie auf einmal da – die Erlaubnis, gut zu mir zu sein. Zu schauen, was ich gerade möchte und nicht die anderen. Meinem Körper zuzuhören und ihm Erholung zu ermöglichen.
Feminine Yoga bringt noch einen weiteren wichtigen Aspekt ein, den Frauen gerne vernachlässigen: ihre Grenzen während der Menstruation zu respektieren.
Denn während unserer Menstruation ist unsere Energie sehr gering, unser Immun-System anfälliger. Es ist die Zeit, in der wir introvertiert sind, ruhiger und nachdenklicher werden.
Doch wir leben in einer Gesellschaft, die leistungsgetrieben und männlich geprägt ist. Das bedeutet, sie ist ergebnisorientiert und rational – messbare Erfolge sind das Maß aller Dinge, auch für unseren eigenen Wert. Wir müssen funktionieren und dürfen keine Schwäche zeigen. Also schlucken Frauen Schmerztabletten gegen die Krämpfe und gehen zur Arbeit, ins Fitness-Studio und abends noch mit den Freundinnen ein Wein trinken, obwohl der Körper nach Ruhe und innerer Einkehr schreit. Aber Schwäche ist nicht gern gesehen.
Wir Frauen sind darauf bedacht, uns um andere zu kümmern und unsere eigenen Bedürfnisse hintenan zu stellen. Wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse immer und immer wieder vernachlässigen, führt das häufig dazu, dass wir emotional erschöpft sind, ständig eine Erkältung haben, eine höhere Verletzungsanfälligkeit haben. Es sind die Zeichen des Körpers, die uns dazu auffordern, uns wieder um uns selbst zu kümmern.
Die Zeichen unseres Körpers wieder zu verstehen und Selbstfürsorge in unser Leben zu integrieren – das ist ein Ansatz des feminine Yoga. Es bedeutet, die Yogapraxis und deren Intensität daran anzupassen, in welcher Zyklusphase du gerade bist und wie du dich fühlst – emotional, körperlich und psychisch. Du kannst gerne an einer meiner Yoga-Klassen teilnehmen und die sanfte Asana-Praxis auf dich wirken lassen.
Impulse für dich, wie du Ahimsa in dein Leben integrieren kannst
Ahimsa beginnt bei dir – unsere Gedanken kreieren die Welt, in der wir leben. Wenn du etwas in deinem Leben ändern möchtest, beobachte deine Gedanken – vor allem deine destruktiven Gedankenmuster. Und dann beginne, mit kleinen Schritten deinen inneren Widerstand aufzulösen. Diese Impulse mögen dir helfen, deinem inneren Frieden zu begegnen.
1. Frage dich: Woran fehlt es mir?
Wenn du die Alltags-Situationen im oberen Teil des Artikels nur zu gut kennst, hilft es, einen Schritt zurück zu treten. Blicke einmal hinter dieses negative Gefühl, dass sich in deinen Lästereien oder negativen Gedanken äußert. Was hat dich dazu zu bewogen, so negativ zu sein? Warum kannst du dich nur so äußern, an was mangelt es dir?
2. Akzeptiere.
Wenn dich ein äußerer Zustand wütend macht – dann akzeptiere das. Akzeptiere die Wut. Und dann frage dich: Was kannst du aus der Situation lernen? Dieser Perspektivwandel hilft dir vielleicht, nicht mehr gegen die Situation zu sein. Sondern diese anzunehmen und gelassen darauf zu reagieren. Win-win für dich und dein Umfeld.
3. Spread love not hate.
Ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass, wenn wir alle fleißig gegen Hass-Kommentare argumentieren, sich die Verfasser dieser Kommentare das zu Herzen nehmen. Oder sich umstimmen lassen. Nutze stattdessen deine Zeit doch lieber, um eine positive Bewertung abzugeben oder einen liebevollen Kommentar zu hinterlassen.
Natürlich werden Hass-Kommentare nicht verschwinden. Aber wenn wir beginnen, ein Wort der Aufmunterung, des Dankes zu hinterlassen, dann haben wir zumindest einen kleinen Samen gesät. Möge er wachsen und gedeihen.
„Jeder Einzelne kann dazu seinen persönlichen Beitrag im „Nicht-Verletzen“ leisten, wodurch eine Gesellschaft oder ein System sich letztendlich verändern mag.“
Alexander Kobs: Die zehn Lebensempfehlungen des Yoga
4. Respektiere deine Grenzen.
Wenn du gut zu dir bist, kannst du auch gut zu anderen sein. Etabliere Selbstfürsorge und Selbstakzeptanz langfristig in dein Leben und lasse es Teil deiner täglichen Routine sein. Aber gehe auch hierbei achtsam mit dir um und versuche nicht dein ganzes Leben auf einmal umzukrempeln. Vielleicht fängst du damit an, das nächste Mal auf dein Workout zu verzichten, wenn du deine Menstruation hast. Oder du schnappst dir deine Wärmflasche und legst dich aufs Sofa, anstatt eine Schmerztablette zu nehmen und weiterzumachen. Frage dich, was dir in diesem Moment grade gut tun würde und dann setze genau das um.
5. Vergib dir, wenn du in alte Muster verfällst.
Es ist eine wundervolle Praxis, friedlich mit dir und anderen umzugehen. Aber lerne auch, dir zu vergeben, wenn es mal nicht so klappt. Wenn doch mal ein harsches Wort fällt, wenn du dich doch mal über deine Bedürfnisse hinwegsetzt. Niemand ist perfekt. Alte Muster sitzen tief und es dauert, bis man sie gehen lassen kann.
Ich hoffe, ich konnte dir mit diesem Artikel die Bedeutung von Ahimsa näher bringen und dir fünf wertvolle Impulse geben, wie du friedlicher mit dir und dadurch auch mit anderen umgehen kannst.
Quelle Bilder: Unsplash.com/Nicolas DC, Caroyln V, Yomex Owo
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